Verpflichtungen der Geschäftsführung in einem Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture)

In einem kürzlich durch den Hohen Rat (Oberster Gerichtshof in den Niederlanden) ausgesprochenen Berufungsurteil ging es unter anderem um die Verantwortung der Geschäftsführer eines Joint Venture. Dies ist insofern bemerkenswert, da das Joint Venture eine größere Vertragsfreiheit und eine flexiblere Rechtsform als beispielsweise eine BV (GmbH nach niederländischem Recht) erlaubt. Wessen Interessen sollte die Geschäftsführung innerhalb eines Joint Venture dienen und wann handelt es sich um Missmanagement? Hidde Reitsma, Anwalt für Unternehmensrecht, legt den Fall dar.

 

Joint Venture: Zusammenarbeit mit großer Eigenständigkeit

Ein Joint Venture ist als langfristige Kooperation von zwei oder mehreren eigenständigen Unternehmen zu verstehen. Diese Zusammenarbeit findet (meist) innerhalb eines rechtlich selbständigen Unternehmens statt und kennt hinsichtlich der Kooperation und der Beziehung der Partner innerhalb des Joint Venture viele Freiheiten. Die Beziehungen in einem Gemeinschaftsunternehmen werden häufig in einem speziellen Joint Venture- Vertrag Die Urkunde, worin ein Vertrag zwischen den Parteien begründet wird. In weiterem Sinn wird damit auch der Vertrag selbst bezeichnet.
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Vertrag
geregelt.

Anteilseigner gründen ein Joint Venture

In vorliegendem Fall gründeten zwei Anteilseigner (im weiteren Verlauf angedeutet als Anteilseigner I und Anteilseigner II) ein Joint Venture und betrieben auf diese Weise ein Hotel in Cancun in Mexico. Neben diesem Joint Venture entstand noch eine Reihe weiterer Gesellschaften mit Zwischenholdings und Tochtergesellschaften. Darunter befanden sich auch, offensichtlich zur Senkung der Steuerlast, einige niederländische Gesellschaften. Diese Tatsache hatte zur Folge, dass im Zusammenhang mit dem Ogem-Urteil, in welchem der Hohe Rat entschied, auch ausländische Gesellschaften in ein Prüfungsverfahren der Kammer für Untersuchungssachen (KU) einbeziehen zu können, ein Schiedsverfahren dieses mexikanischen Gesellschafterkonflikts  vor der KU stattfand.

Auftragsverhältnis zwischen Anteilseigner und Geschäftsführer

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass in diesem Joint Venture die Geschäftsführer auf den expliziten Vorschlag eines der Anteilseigner hin bestellt wurden. Das Auftragsverhältnis zwischen Anteilseigner und Geschäftsführer bewirkte im Vergleich zu Anteilseigner I offensichtlich eine stärkere Interessenvertretung von Anteilseigner II aufgrund des von diesem bestellten Geschäftsführers. Das Eigeninteresse der Geschäftsführer überstieg sozusagen das gesellschaftliche Interesse.

Verhältnisgleiche Kontrolle

2009 reichte der Rechtsanwalt von Anteilseigner I bei der Kammer für Unternehmungssachen eine Beschwerde ein, dass Anteilseigner II die verhältnisgleiche Kontrolle ernstlich gestört habe. War das Anteilsverhältnis anfangs 50% – 50%, Betrug Ein Rechtsakt ist anfechtbar, wenn er durch Drohung, Betrug oder Ausnutzung von Umständen zustande gekommen ist. Betrug liegt vor, wenn jemand einen anderen durch eine absichtliche unrichtige Mitteilung...
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Betrug
es einige Jahre später 0,13% – 99,78%. Anteilseigner I erklärte dazu, man habe ihn im Irrtum Ein Vertrag wird durch ein Angebot geschlossen, das angenommen wird. Aber ein Vertrag, der unter Einfluss eines Irrtums zustande kommt, ist anfechtbar...
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Irrtum
belassen, nicht über den Hergang informiert,  und er habe über den Weg der außerordentlichen Hauptversammlungen (wobei Anteilseigner I nicht anwesend war) die Ausgabe neuer Anteil am Gesellschaftsvermögen Anteile sind die Anteile des Gesellschaftskapitals einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Aktiengesellschaft. Unteranteile sind Teile dieser Anteile, wenn diese gemäß der Satzung...
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Anteile
nicht verhindern können, was einen unmittelbaren Verwässerungseffekt der Anteile von Anteilseigner I nach sich zog.

Anwalt fordert Untersuchung wegen Missmanagement

Die KU veranlasste nach entsprechendem Antrag Ende September von Anteilseigner I eine Untersuchung wegen Missmanagement. Die KU bestätigte nach Abschluss der Untersuchung den Tatsachenverhalt des Missmanagements und hob unter anderem die zur Verwässerung bei Anteilseigner I beitragenden Beschlüsse der Geschäftsführung auf – eine drastische Entscheidung.

Kammer für Unternehmungssachen nicht gebunden an Urteil des Prüfers

Unter anderem führte die von dem vorgelegten Prüfungsbericht  abweichende Folgerung der KU, die Geschäftsführung habe nachlässig gehandelt, zu einer Klage bei dem Hohen Rat. Die Klage beinhaltete die Frage, warum der betreffende Prüfer von der KU bestellt worden war, während die KU selbst zu einem abweichenden Ergebnis kam. Der Hohe Rat machte kurzen Prozess mit dieser Klage und stellte diesbezüglich klar, dass die KU nicht an das Urteil eines Prüfers gebunden ist. Es ist der KU nämlich gestattet, sich anhand der von den Parteien vorgebrachten Argumente sowie des Prüfungsberichts, ein abweichendes Urteil zu bilden.

Informationspflicht gegenüber anderen Anteilseignern

Ein weiterer Gegenstand der Klage war die Verkennung seitens der KU, dass es den Parteien freistehe ein Joint Venture nach Belieben auszugestalten und beispielsweise die Informationspflicht anderen Anteilseignern gegenüber in Sachen Anteilausgabe  abweichen kann. Auch diese Klage verwarf der Hohe Rat. Der Hohe Rat war der Meinung, auch die freie Gestaltung eines Joint Venture enthebe die Anteilseigner nicht der Pflicht sich redlich und billig zueinander zu verhalten (Art. 2:8 des niederländischen BGB). Welche Unternehmensstruktur auch immer: die Geschäftsführung hat die Pflicht sich nach den Interessen der Gesellschaft und dem ihr verbundenen Unternehmen zu richten. Darum war es, so die Kammer für Unternehmungssachen, Aufgabe der Geschäftsführung Anteilseigner I von möglichen Verschiebungen innerhalb des Anteilsverhältnisses zu unterrichten. Durch diese Unterlassung habe die Geschäftsführung ihre besondere Sorgfaltspflicht bezüglich der Abwendung von Verwässerung verletzt.

Anwalt mit Erfahrung Kammer für Untersuchungssachen

Ungeachtet der Unternehmensstruktur kommt Artikel  2:8 des niederländischen BGB eine große Bedeutung zu. Auch ein von einem einzelnen Anteilseigner bestellter Geschäftsführer – was eine gewisses Spannungsfeld erzeugt – muss immer das gesellschaftliche Interesse im Auge haben. In vorliegendem Fall wurde die Verwässerung durch die Geschäftsführung nicht verhindert, da diese vor allem die Interessen  ‘ihres Anteilseigners’  verfolgte. Eine solches Spannungsfeld tritt im niederländischen Gesellschaftsrecht häufiger auf, wenn beispielsweise ein Geschäftsführer mit erheblichen Geschäftsanteilen (DGA, directeur grootaandeelhouder) eine eigene Geschäftsführung in der Gesellschaft bestellt, und die Satzung Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Vereinigungen und Stiftungen müssen die Satzung in der notariellen Urkunde enthalten...
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Satzung
bestimmt, dass die Geschäftsführung den Weisungen dieses Anteilseigners zu folgen habe. Auch die Position der Kammer für Unternehmungssachen wurde in dem Berufungsurteil beiläufig erwähnt. Die Kammer für Unternehmungssachen hat immer unabhängig zu handeln und sich keinem anderen Interesse als dem, was sie als redlich und billig erachtet, zu unterwerfen – selbst wenn anderslautende Prüfungsberichte vorliegen.